Weniger ist mehr!

Weniger ist mehr!

Weniger ist mehr! 150 150 Rainer Vogt

Gäbe es nicht Elon Musk, wüsste ich nicht, wie ich mit diesem Text beginne. Enge Mitarbeiter, die ihn gut kennen, soll er mit seinen Launen an ein zorniges Kleinkind erinnern. Trotzdem hat Daimler ihn zum Vorbild für sich erkoren. Wer den Mars kolonisieren will und als reichster Mann der Welt gilt, muss ja etwas drauf haben. Dass er Twitter neu aufstellt und damit seinen Reichtum riskiert, wird schon einen Sinn haben. Der wird sich noch zeigen. Warten wir’s ab.

Denn eigentlich schlagen auch wir uns mit Problemen herum, die nicht hätten sein müssen. Unvorstellbare, bisher nicht gekannte Feuersbrünste machen Angst. Vielerorts quälen jahrelang anhaltende Trockenperioden. Gigantische Überschwemmungen und noch nie da gewesene Orkane verbreiten Schrecken. Dazu gesellt sich bedrohlich rasch schmelzendes Polar- und Grönlandeis sowie großflächig auftauende Permafrostböden, die extrem klimaschädliches Methan freisetzen und riskante Kleinstlebewesen wiederbeleben.

Zu Wetter- und Klimakapriolen kommen unerwartete Probleme mit bisher unbekannten Viren, die sich blitzschnell weltweit ausbreiten, kommen unverhoffte wirtschaftliche Nöte, kommt Inflation wie seit Jahrzehnten nicht mehr und kommt sogar ein naher Krieg, den man bis zuletzt nicht für möglich hielt. Wieder einmal wussten Amerikaner das besser.

Nachdem uns erzählt wird, dass aus der Pandemie inzwischen eine Endemie geworden sei, lässt ein Großteil der Bevölkerung die Masken fallen, besucht massenhaft Fußballstadien und feiert, wo es was zu feiern gibt. Was der abrupte Strategiewechsel der Chinesen noch zeitigt, weiß man noch nicht. Wo Corona mit dem Wegsperren kompletter Millionenstädte komplett vermieden werden sollte, lässt man den Viren mit totaler Öffnung nun freien Lauf. Wie die Viren die gewonnene Freiheit nutzen werden, bleibt abzuwarten. 

Weit mehr Angst erzeugt bei uns natürlich der Krieg in der Ukraine, so nah wie er uns kommt. Dass Putin nach der aus seiner Sicht problemlosen Annexion der Krim sich mit dem Überfall auf die Ukraine dermaßen verrechnet hat, spricht nicht für sein Urteilsvermögen. Vermutlich wagt in seiner Umgebung niemand mehr, ihm zu widersprechen. Indes sei ein Rückzug für Putin undenkbar, wird dem einstigen KGB-Mann nachgesagt. Verlieren käme für ihn nicht in Frage. Hat man sich in dem Mann, der am 25. September 2001 im deutschen Bundestag eine mit stehendem Applaus quittierte Rede hielt, dermaßen getäuscht?

Was muss in jemand vorgehen, der in Butscha Zivilisten scharenweise auf der Straße abknallen und dann liegen ließ? Der gezielt Wohnviertel, Schulen, Krankenhäuser bombardieren lässt, Wohngebiete verwüstet und die Stromversorgung ruiniert, um die Bevölkerung mit voller Absicht winterlicher Kälte auszusetzen. Der seine längst gescheiterte „militärische Sonderaktion“ mit inzwischen Hundertausenden frisch rekrutierten Kräften nach wie vor zum Erfolg führen will und Verhandlungen weit von sich weist? Und der sich berufen fühlt, die „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“, als die er das Ende der Sowjetunion empfindet, auf Biegen und Brechen zu korrigieren. Wie wird dieser isolierte und desinformierte Alleinherrscher reagieren, wenn ihm seine Felle vollends wegschwimmen sollten? Sind sich militante Heldinnen wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann keines Risikos mehr bewusst?  

Allein ist Putin als gefährlicher und unberechenbarer Autokrat natürlich längst nicht mehr. Auch sein chinesischer Schutzpatron Xi Jinping erweist sich als zweifelhafter Despot, der zielstrebig lebenslange Alleinherrschaft anstrebt. Wie er seinen Chinesen erst kollektiven Hausarrest zumutete, um sie nach Jahren übergangslos dem vollen Ansteckungsrisiko mit Viren auszusetzen, spricht Bände.

Stilbildend gewirkt hat, wie sich jetzt herausstellt, auch Donald Trump. Gestützt auf die skrupellos verbreitete Lüge des „gestohlenen Wahlsiegs“ wartete der vermeintliche Wahlsieger stundenlang ab, ob der von ihm lancierte Sturm aufs Kapitol nicht doch die erhoffte Wirkung hätte. Jetzt fand er in dem gleichfalls abgewählten brasilianischen Staatschef Bolsonaro einen nicht minder glücklosen Nachahmer. Aus der sicheren Entfernung Floridas verfolgte der den Sturm seiner Anhänger auf Regierungsgebäude in Brasilia, die sich dank magerer polizeilicher Präsenz dort zwar folgenlos, doch keineswegs spurlos austobten.

Neugierig darf man auf den Fortgang der Ereignisse in der Türkei sein, wo Präsident Erdogan bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl 2024 unter keinen Umständen seinem Herausforderer Ekrem Imamoglu unterliegen will und seinen Herausforderer darum mit einer dürftig begründeten Haftstrafe kaltstellen will.

Weil von auffälligen Führerpersönlichkeiten die Rede war: Man befürchtet, dass Demokratien sich derzeit überhaupt auf dem Rückzug befänden. Vielleicht finden die Leute nicht allein an starken Leithammeln Gefallen, sondern auch daran, dass nicht lange gefackelt wird, bis da einer von uns den Volkswillen in die Tat umsetzt.

Zugleich ändert sich die frühere Weltordnung. Das einst bipolare Gegenüber von Ost und West ist in Bewegung geraten. Längst hat China als Widerpart der USA Russland an die Seite gedrängt. Das früher schon eingeklemmte Europa sucht trotz der enorm angewachsenen Zahl von NATO-Mitgliedern weiter nach seiner Rolle in der Welt. Wie ließe sich unsere enge und einseitige Bindung an die USA wenigstens mindern? Womöglich aufrüsten?!

Abschied nehmen heißt es zudem von der beruhigenden Vorstellung, dass die fortschreitende Globalisierung samt dem damit verknüpften Welthandel den Frieden auf der Welt befördere und zugleich für wachsenden Wohlstand sorge. Corona mag den Wandel beschleunigt haben. Man ist überzeugt, dass besonders wir Deutschen uns mit unserer exportlastigen Wirtschaft in bedrohliche Abhängigkeit ganz besonders von China begeben haben. Dass diese und jene Arznei nicht mehr ohne weiteres zu erhalten ist, gibt zu denken. Noch ernster zu nehmen ist offenbar der Mangel an Halbleiterchips, ohne die Smartphones, Grafikkarten und Prozessoren nicht funktionieren. Auch da entpuppt sich die global organisierte Wertschöpfungskette als Falle.

Besonders unbedacht ist wohl der abrupte Auszug der amerikanischen Streitkräfte aus Afghanistan gewesen. Er brachte nicht nur verbündete Truppen in Verlegenheit und Gefahr, er ebnete auch dem „Blitzsieg“ der Taliban den Weg. Vor allem aber bewirkte er das immer radikaler durchgesetzte Aus von Frauenrechten. Verwehrt wird ihnen vom „Ministerium für die Förderung der Tugend und der Verhütung des Lasters“ so gut wie alles. Verhüllung total bis auf die Augen, Verbannung aus dem öffentlichen Leben, Verknappung der Schulbildung auf ein Minimum, Ausschluss von Studium und höherer Bildung, Verbot, Geschäfte zu führen oder gar männliche Ärzte aufzusuchen. Dabei sind weibliche Ärzte dort eine Rarität.

Bekanntlich sind die Verhältnisse für Frauen auch im Iran seit Jahrzehnten kein Honigschlecken gewesen. Seit dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini im September sind in dem seit 1979 von Mullahs regierten Land aber Proteste wie nie zuvor unterwegs. Wie das Kräftemessen zwischen Mullah-Regime und der mehrheitlich oppositionell eingestellten Bevölkerung endet, steht dahin. Ob  die jetzt in Serie verhängten Todesstrafen die vom Regime erhoffte Einschüchterung bewirkt, bleibt abzuwarten. Bemerkenswert sind da die vom iranischen Strafrecht benannten Straftaten des „Kriegs gegen Gott“, der „Verbreitung von Lügen“ oder der „Verdorbenheit auf Erden“.

Da wären wir endlich bei Sünden angelangt. Daran mangelt es, wie man sich denken kann, nirgends. Auch das Christentum kennt die „Erbsünde“, die bei der Geburt jedes Kindes gleichfalls ans Licht der Welt gelangt. Allerdings werden uns allmählich eher die Sünden bewusst, die der technische Fortschritt mit sich bringt, der Raubbau an den Ressourcen der Welt, die Vergiftung der Schöpfung, der Meere wie der Erde und der Luft, nicht zuletzt der Entzug des Lebensraums für die gesamte Tierwelt.

Der Artenschwund galoppiert. Drei Viertel der für die Bestäubung von Pflanzen notwendigen Fluginsekten sollen inzwischen fehlen. Rund eine Million von Tier- und Pflanzenarten sind laut einem UN-Bericht vom Aussterben bedroht. Obendrein beschleunigt sich der Verlust immer mehr. Korallenriffe verschwinden. Das schmelzende Polareis entzieht einer Reihe von Arten wie etwa Eisbären und Rentieren die Existenzgrundlage.

Was also tun? Oder besser lassen? „Wir könnten aus dem Stand fünf neue Nationalparks ausweisen“, sagt etwa Christof Schenck, Biologe, Naturschützer und Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt, der im vergangenen Jahr den deutschen Umweltpreis erhielt. Im allwissenden Netz sind sogar „6 einfache Tipps, wie du die Umwelt schützen kannst“ aufgelistet:

„1. Weniger Müll produzieren. 2. Materialien wiederverwenden. 3. Weniger konsumieren. 4. Wasser sparen. 5. Weniger Auto fahren. 6. Strom sparen.“ „Weniger“ heißt in der Tat das Stichwort! Weniger sündigen! Weniger rauchen. Weniger zuckern. Weniger salzen. Weniger Fleisch essen, überhaupt weniger essen. Weniger saufen. Weniger Alkohol. Weniger Drogen. Weniger Skifahren. Weniger Auto fahren. Weniger böllern. Weniger fliegen! Weniger Schweine mästen. Weniger Urlaub machen. Weniger Hunde und Katzen halten. Weniger wegwerfen. Weniger im Netz surfen. Womöglich weniger Kinder in die Welt setzen??!

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