Krieg in der Ukraine

Was machen wir mit dem „Z“?

Krieg in der Ukraine

Krieg in der Ukraine 150 150 Rainer Vogt

„Ein Hauch von Kaiser Wilhelm II. umwehte das Reichstagsgebäude. Man kannte keine Parteien mehr“. So kommentierte Markus Feldenkirchen im Spiegel Anfang März die Begeisterung, die Bundeskanzler Scholz mit seiner Zusage von hundert Milliarden Euro auslöste, die als „Sondervermögen“ der Ukraine bei ihrem Widerstand gegen Putins Krieg helfen sollen.

Der Vergleich hinkt leider keineswegs. Seit uns in Europa Krieg dermaßen nahe rückt, ist die Stimmung gekippt wie noch nie seit 1945. Endlich wieder Krieg! Gottseidank wieder normale Verhältnisse mit der Chance, dass wir uns im Kampf  bewähren! Was bis vor kurzem noch etliche Jahrzehnte lang galt und Leitmotiv unserer Außenpolitik war, entpuppt sich als lächerliche Illusion. „Entspannung“, die „Ostpolitik“ von Egon Bahr und Willy Brandt, „Wandel durch Handel“, „Vertrauen schaffen ohne Waffen“, „Rüstungskontrolle“, gar „Abrüstung“: Alles Wunschdenken bzw. heillose Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Gegebenheiten.

Wirklich? Als Putin gegen Ende vergangenen und Anfang dieses Jahres Truppen entlang der Grenzen zur Ukraine aufmarschieren ließ, hielt kaum jemand für möglich, dass diese bizarre Machtdemonstration den Auftakt zum militärischen Einmarsch am 24. Februar bilden würde. Lediglich der amerikanische Geheimdienst war sich sicher, dass die Invasion am 23. Februar beginnen würde. Einen Tag später, am Donnerstag, war es dann so weit.

Inzwischen ist alle Welt überzeugt: Putin war nie anders, nämlich keineswegs kompromissfähig oder diplomatischen Verhandlungen zugänglich, vielmehr von Anfang an ein Mann des Geheimdienstes, dazu bereit, Gegner notfalls gewaltsam zu liquidieren und finster entschlossen, Russland wieder zu alter Größe und Bedeutung der Sowjetunion zu verhelfen. Tschetschenien, Georgien, die Annexion der Krim, das Engagement in Syrien, jetzt der Versuch, die Ukraine zu besiegen: Ausnahmslos logische Schritte, um „die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts“, wofür Putin das Ende der Sowjetunion hält, gewaltsam zu revidieren.  

Nicht grundlos ist seit dem 24. Februar von einer radikalen Zeitenwende die Rede. Gekennzeichnet wird sie von der selbstverständlichen Unterscheidung von Freund und Feind. Viel zu lange war sie leichtfertig falschen Hoffnungen zum Opfer gefallen. Endlich werden Politiker, die Verständnis für Putin aufbrachten, klar benannt und für ihre Leichtfertigkeit gescholten.

Klar missbilligt wird heute (24. April) in der Stuttgarter Zeitung auch „die bequeme Lebenslüge der Deutschen“, die endlich als solche benannt werden solle und zu überwinden sei. Wir hätten uns nämlich „in der Vorstellung eingerichtet, dass Krieg nie die Lösung sei.“ Welch ein Irrtum! Auch Robert Habeck fällt es wie Schuppen von den Augen. „Pazifismus ist im Moment ein ferner Traum.“ Anton Hofreiter denkt weiter und befürchtet, „dass wir bei den Sanktionen bremsen, bei den Waffenlieferungen bremsen, und damit die Gefahr droht, dass der Krieg sich immer länger hinzieht.“ Denn das berge die Gefahr, dass weitere Länder überfallen würden und wir „in einen (…) dritten Weltkrieg rutschten.“ Was darum nottut, das ist ein „Blitzkrieg“!

Folglich kommt es jetzt darauf an, die Toren, die an alten Irrtümern festhalten, zu benennen oder sogar als feindliche Elemente zu entlarven. „Wer gegen Andrij Melnyk, den rührigen ukrainischen Botschafter, argumentiert, stellt sich schon fast hinter Putin.“ Auch so etwas steht im „Spiegel“. Wundern sollte man sich deshalb nicht, wenn exponierte Politiker wie unser früherer Außenminister und jetziger Bundespräsident Frank Walter Steinmeier für seine Irrtümer gescholten und seitens der Ukraine als unerwünschter Besucher ausgeladen wird. Jetzt geht demselben „gesunden Menschenverstand“, Markus Feldenkirchen, dem doch vor kurzem erst „Panikpolitik“ auffiel, ein Licht auf. „Näher als (Manuela) Schwesig konnte man dem Kremlregime als deutsche Ministerpräsidentin kaum sein.“ Dass sie sich überstürzt von „Nordstream II“ lossagte und daraus eine dubiose „Klimastiftung“ zimmerte, sei „eine der größten Dummdreistigkeiten der Nachkriegsgeschichte.“ Wolfgang Kubicki gesteht unumwunden, dass sich „durch den Angriff Russlands auf die Ukraine … 50 Jahre meiner politischen Agenda in Luft aufgelöst“ hätten. „Wer sein Auto betankt, fördert das System Putin“, ergänzt der Vorsitzende des Fahrradclubs ADFC Frank Maserek den Strauß erhellender Erkenntnisse.

Folgerichtig werden Firmen, die wider besseres Wissen an ihren Handelsbeziehungen zu Russland festhalten wie der Schokoladenhersteller Ritter „stiller Komplizenschaft“ geziehen. Auch die traditionell um Sauberkeit bemühte Firma Henkel solle tunlichst ihre Produkte nicht ausgerechnet an Russen verkaufen. Umgekehrt gilt es natürlich, alle russischen Produkte und nicht zuletzt Gas, Öl und Kohle konsequent abzulehnen, auszusortieren und zu sanktionieren. Edeka macht das beispielhaft vor und will „alle Produkte, die in Russland produziert werden, nicht mehr bestellen.“

Bisher anerkannte Künstler wie die Dirigenten Teodor Currentzis oder der Chefdirigent der Münchener Philharmoniker Valery Gergiev oder Anna Netrebko sollen ihre Beziehungen zu Putin gefälligst beenden. Denn „Kultur und klassische Musik sind in einer Kriegszeit per se immer Speerspitze der Propaganda“, so Axel Brüggemann, der „in diesen Tagen“ Künstlern „Haltung“ abfordert. Auch der Freiburger Bürgermeister Michael Benitz findet es „unerträglich (…), dass es persönliche Verbindungen von Herrn Putin in unsere Stadt gibt“, nämlich in Gestalt des Chefs von Nordstream II Matthias Warnig. Dass Gerhard Schröder seine Ehrenmitgliedschaft bei Borussia Dortmund dreingab, ehe man ihn rausschmiss, sagt alles. Dem renommierten Architekten Wolf Prix, der mit Partnern einst die legendäre Gruppe Coop Himmelblau gründete und derzeit an drei Großprojekten in Russland arbeitet, nämlich an zwei Opernhäusern und an der dann weltweit größten Eissporthalle in Sank Petersburg, schlägt nach einem Gespräch mit dem SPIEGEL von dessen Lesern Hass und Verachtung entgegen. „Herr Prix ist ein eitler, skrupelloser Opportunist“ und „… ist moralisch offenbar nicht mehr zurechnungsfähig.“

Schon geraume Zeit gerät Olaf Scholz unter Verdacht, der Ukraine nicht offensiv genug unter die Arme zu greifen und ihr beispielsweise schwere Panzer zu liefern. Scholz sei „zu zauderlich und zu zögerlich“, so Anton Hofreiter. Allein die beherzte Unterstützung der Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt sei geeignet, „die Gefahr einer … Ausweitung des Kriegs“ – etwa auf die baltischen Staaten – „zu minimieren“. Völlig entgegengesetzt beurteilte Ex-Bundeswehr-General Erich Vad bei Maybrit Illner die Lage. „Davon auszugehen, dass nur eine Seite … gewinnen kann, ist ein Fehler.“ Vielmehr müssten wir „in einen wie immer gearteten Waffenstillstand kommen.“ Auch Sigmar Gabriel will „den Konflikt stabilisieren statt ihn zu erweitern“. Denn: „Alles was die USA nicht machen, da sollten auch wir die Finger von lassen.“ Es komme darauf an, „nicht Kriegsteilnehmer zu sein.“    

Verlangt wird aber, dass wir im Krieg zusammenstehen und unsere Gewohnheiten überdenken. „Wir brauchen schnell ein Tempolimit und ein Sonntagsfahrverbot. Wir müssen die Heizung zurückdrehen und weniger Energie verbrauchen“, fordert ein Leser namens Eugen Schlachter. Warum nicht die Heizung auf sechzehn, allenfalls achtzehn Grad einstellen und sich ein bisschen wärmer anziehen.? Wir sollten „Abschied nehmen von politischen Traumwelten..“ so Robert Schiebel.

Merkwürdig ist freilich, dass man in Polen nun stolz darauf ist, dass man in kurzer Zeit über eine Million Menschen aus der Ukraine Aufnahme gewährt hat. Dabei ist es nicht lange her, dass Polen zusammen mit Tschechien und Ungarn einig darin gewesen ist, dass sie mit ihrer Weigerung, Migranten aus Syrien, Albanien, Kosovo, Irak und Afghanistan aufzunehmen zwar gegen das entsprechende Urteil des Europäischen Gerichtshofs verstießen, die angedrohten Strafgelder aber zu verschmerzen seien oder ignoriert werden könnten. Denn die vorgesehene Umverteilung von Flüchtlingen gefährde die Sicherheit ihrer Länder. Offensichtlich sind Leute, die ihr Heil in der Flucht suchen, keineswegs alle gleich. Es drängt sich der Verdacht auf, dass nach wie vor Herkunft, Hautfarbe und Religion entscheidend für die Toleranz sind, die man in Europa Menschen auf der Flucht entgegen bringt.

Bleibt noch die Frage, was wir mit dem „Z“ machen, wie wir es ersetzen können, nachdem die Russen es dermaßen missbrauchen und als Symbol für den bösen Westen („Zapad“) oder als Schlachtruf „Auf den Sieg“ (Za Pobeda“) verwenden. Alle Wörter, die mit „Z“ beginnen, mit Ersatz ausrüsten? Yange statt Zange? Xahlen statt Zahlen? Wank statt Zank? „Vug“ statt Zug? „Uähne“ anstelle von Zähne? „Teitung“ lieber als Zeitung? Besser „Sufall“ als Zufall? Oder wie wär’s mit „Rinsen“ anstatt Zinsen? Noch treffender wäre natürlich „Grinsen“ als Zinsen!

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