Wie anfangen? Wünschenswert wäre im Augenblick, dass die digitalen Hindernisse, die das Schreiben erschweren, verschwänden. Ausgerechnet jetzt, da alle Welt sich dem digitalen Fortschritt ausliefert, geht bei mir fast nichts mehr wie gewohnt.
Erst vorher las ich im Spiegel vom Fortschritt menschenähnlicher Maschinen, die äußerlich sogar ganz echt aussehen können. Immerhin sprach sich Eva Weber-Guskar, die dazu ein Buch veröffentlicht hat („Gefühle der Zukunft“), skeptisch zu der Absicht aus, diese neuen Zeitgenossen mit Gefühlen auszustatten wie wir sie kennen. Vorläufig ist sie nicht überzeugt, dass sich das auch verwirklichen lässt. Vor allem zweifelt sie am Sinn der Absicht, „den Menschen nachzubilden“. „Wir haben doch genug Menschen auf der Welt!“
Mir fällt dazu noch ein, dass sich in der Zwischenzeit auch Yuval Noah Harari zu solchen Plänen geäußert hat. Er meldete massive Zweifel daran an, dass diese Vorhaben gutzuheißen oder auch nur harmlos wären. Noch pessimistischer hört sich, was der britische Informatiker Geoffrey Hinton, dazu in einem Spiegel-Gespräch dazu sagte. Obwohl er als „Geburtshelfer der künstlichen Intelligenz“ an deren Entwicklung maßgeblich beteiligt war, warnt er jetzt dringend vor deren Risiken. „Ultimativ droht die Auslöschung der Menschheit“ ist das Gespräch überschrieben. Warum? Weil wir mit KI laut dem KI-Vordenker Mustafa Suleyman „kein Werkzeug (entwickelten), sondern eine neue Spezies, in die alles Gute, aber auch alles Schlechte der Menschheit einfließe.“ Sobald wir KI freie Hand ließen, sich selbst zu programmieren, werde es gefährlich.
Eigentlich beginne ich Überlegungen gern mit Beobachtungen in Backnang, weil da zahlreiche Erscheinungen auffallen, die anderswo, wie mir scheint, in dieser Fülle nicht geboten werden. Und nachdem das Gedächtnis mit fortschreitendem Alter besonders frühere Erfahrungen zum Vergleich heranzieht, staunt man zunehmend über die Fülle bedenklicher Erscheinungen, die sich hier und jetzt beobachten lassen.
Bekanntlich sind dem Zweiten Weltkrieg allein in Russland rund 26 Millionen Menschen zum Opfer gefallen. Google weiß von über 60 Millionen insgesamt, darunter sechs Millionen Juden und zusammen mit zivilen Opfern an die sechs Millionen Deutsche. Umso verblüffender mutet an, dass ich mich in der Nachkriegszeit nur an wenige Versehrte erinnere, die Gliedmaßen eingebüßt hatten, erblindet waren, schwere Gesichtsverletzungen zeigten oder sonst auffällige Spuren trugen. Halbwaisen, deren Väter „im Krieg blieben“, gab es dafür umso mehr.
Desto merkwürdiger ist, dass es in Backnang von behinderten Leuten in vielerlei Gestalt jetzt nur so wimmelt. Auch dass unter jenen, die auf Elektromobilen unterwegs sind, etliche Jüngere zu finden sind, mag wundern. Auch sie haben Gliedmaßen eingebüßt, warum oder wie auch immer. Vielleicht trägt der Sport einiges dazu bei. Dass Ältere oft Rollatoren zu Hilfe nehmen, versteht sich. Dass unter den Passanten nur wenige aufrecht und ohne auffällige Behinderungen zu Fuß unterwegs sind, erklärt sich wohl aus dem statistisch deutlich angestiegenen Altersdurchschnitt bei uns.
Besonders fallen aber die vielen Kinder auf, die in Backnang mit Ihren Müttern oder mitsamt der ganzen Familie unterwegs sind. Bemerkenswert sind dabei die vielen Zwillinge in entsprechend breiten Kinderwagen. Jedenfalls trifft eines bestimmt nicht zu: Dass in Deutschland kaum mehr Kinder geboren würden. Richtig daran ist allenfalls, dass der Nachwuchs ursprünglich deutscher Eltern nur eine Minderheit darstellt.
Keineswegs vergessen ist aber, dass es selbst hier bei uns eine Zeit gab, da Kinderreichtum keine Seltenheit war und Frauen beinahe dazu ermahnt wurden, sie sollten doch ja nicht gegen ihre Natur verstoßen. Das Resultat sind die geburtenstarken Jahrgänge gewesen, die jetzt allmählich aus dem Berufsleben ausscheiden und mit ihrem Anspruch auf Rente die staatliche Versorgung unter Druck setzen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Generation der im Krieg oder bald nach dem Krieg geborenen Jahrgänge statistisch deutlich länger lebt als früher üblich und damit zusätzlich für finanzielle Enge sorgt.
Inzwischen hat sich die Weltlage erneut und noch dramatischer zugespitzt. In den USA ist – aus europäischer Sicht fast wider Erwarten – Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt worden. Erwartungsgemäß hat er dazugelernt und sein Kabinett handverlesen zusammengestellt. Dass dabei höchst originelle Personalien wie Elon Musk oder der Kennedy-Enkel zu finden sind, muss nicht wundern. Auch daß der Wahlerfolg darauf hinausläuft, Trump vor etlichen juristisch belastenden Verfahren zu bewahren, überrascht nicht. Wie die amerikanische Verfassung mit den veränderten Gegebenheiten fertig wird, wird man abwarten müssen. Meinungen dazu gehen auseinander. Immerhin hat der Mann im obersten Gericht der Vereinigten Staaten, dem Supreme Court, für langfristige Mehrheiten in seinem Sinn gesorgt.
Betroffen macht, dass Trump mit seiner durchaus denkbaren, vielleicht schon gefassten Absicht, gar nicht wieder aus dem Amt zu scheiden, keineswegs allein ist. Spontan kommen einem Kim Jong-Un, Xi Jinping, Muhammad bin Salman und Putin in den Sinn. Ein weiteres Beispiel liefert Benjamin Netanjahu, der seit 1996 am Ruder ist und den Krieg braucht, um der Haft zu entgehen. Christian Linder will, wie er in einer Talk-Show bekannte, sogar „mehr Javier Milei und Elon Musk wagen“, in welcher Absicht auch immer.
Womöglich hat unsere Demokratie, wie wir sie mit ihren Kompromissen zwischen koalierenden Parteien kennen, mit dem komplizierten, zweierlei Stimmen erforderlichen Wahlsystem und für den Wähler manches Mal nicht durchweg sympathischen Volksvertretern, ihre besten Tage hinter sich. Es ist wohl kein Zufall, dass die „Parteienlandschaft“ sich bei uns seit der Wiedervereinigung stark verändert hat. Die vertrauten drei, vier oder fünf Parteien der alten Bundesrepublik, also Westdeutschlands, haben sich um die frühere SED erweitert, die sich dann alsbald zu allerlei nachfolgenden Gruppierungen veränderte. Inzwischen stehen den früheren Parteien im Osten noch ausgeprägter als im Westen Gruppierungen gegenüber, welche die klassische Demokratie mehr oder minder kritisch betrachten, wenn nicht gar ablehnen.
Fatal ist, dass politisch dem linken Spektrum nahestehende Parteien von Anfang an und so gut wie ununterbrochen seit Bismarcks Zeiten lieber untereinander streiten als sich die politischen Gegner vorzuknöpfen. Ein eklatantes Beispiel liefert die Ausrufung der Weimarer Republik am 9. November 1918 sowohl durch den „bürgerlichen“ Sozialdemokraten Philipp Scheidemann als auch durch Karl Liebknecht, der den Spartakusbund anführte. Hätten die konkurrierenden Linken zusammengehalten, hätte Hitler sich nicht durchgesetzt. So fanden die 1933 alsbald verbotenen linken Gruppierungen erst im KZ zusammen.
Nach dem verlorenen Krieg entwickelte sich der von den Amerikanern begünstigte Westen bekanntlich anders als das von der Sowjetunion okkupierte Ostdeutschland, das nach der Gründung der Bundesrepublik der westlichen SPD die „Sozialistische Einheitspartei Deutschlands“, die SED, gegenüberstellte. Nach der Wiedervereinigung wurde daraus die PDS, die Partei des Demokratischen Sozialismus. 2007 entstand dann die Fraktion der Linken.
Als verlässlicher Unruhestifter verließ Oskar Lafontaine im März 2022 auch diese Linkspartei. Im Oktober 2023 kehrte seine einst kommunistisch geprägte, überaus eloquente Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht der Linken ebenfalls den Rücken, gründete im Januar das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ (BSW) und führt damit das Ende der bis dahin gerade noch lebensfähigen Linkspartei herbei. Neun frühere Mitglieder der Linken folgten ihr. Und obwohl das BSW im Vergleich zu Altparteien noch kaum Mitglieder zu verzeichnen hat, doch auf stattliche Zuwächse verweist, geben die Wahlerfolge im Osten Wagenknecht recht. Offenbar kommt ihre politische Position, die weder links noch rechts klar orientiert ist, vielen entgegen. Und weil das BSW im Vergleich zur AFD das kleinere Übel darstellt und die Altparteien schwächeln, sehen die Aussichten für Regierungsbeteiligungen gut aus.
Ungleich größere Sorgen machen seit geraumer Zeit Kriege, die uns näher gerückt sind denn je und deren Ausgang in vielerlei Hinsicht offen ist. Erst recht problematisch ist der Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA. Bekanntlich ist Donald Trump von der Bedeutungslosigkeit des Klimawandels überzeugt. Alle entsprechenden Vorsätze, die man auf der Welt fasst, sind ihm gleichgültig. Ungeklärt ist auch, ob er an der Mitgliedschaft und an den Verpflichtungen der NATO festhalten wird oder nicht. Dass er für Machthaber, die ihm ähnlich sind, eine Schwäche hat, sagte ich schon. Dass er seine Mannschaft sehr bewusst auf ihre Loyalität hin zusammengestellt hat, wurde hinlänglich in den Medien beschrieben.
Letztlich scheint man sich auf diesem Globus um die drohende Klimakatastrophe und die beängstigende Häufung von verheerenden Wetterereignissen, von Niederschlägen, Dürren, Orkanen, von Hitze oder Kälte, von Erdbeben und Vulkanausbrüchen erst dann kümmern zu wollen, wenn die politischen, wirtschaftlichen, finanziellen Probleme in den Hintergrund treten und auch kulturelle, modische, alltägliche Anliegen weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Einfach gesagt dann, wenn die klimatisch bedingten Katastrophen uns keinerlei Wahl mehr lassen. Wie lange das noch glimpflich abgeht oder nur Teile der Weltbevölkerung trifft, wird man abwarten müssen.
Schließlich gibt es den Fortschritt, ganz unerwartete Erkenntnisse, nicht zuletzt KI, Cyborgs, Roboter und ganz neue Mischwesen. Man darf gespannt sein und sich wünschen, wie einst der Münchner im Himmel dem Treiben da unten zusehen zu können.